Ich bin aufgewachsen umgeben von Männern und von Jungs, die damals noch verzweifelt versucht haben welche zu werden. Barbies habe ich lieber anderen überlassen und mit meinem Opa Fußball gespielt, mir die Knie aufgeschlagen und jedes weiße T-shirt ruiniert.
In der Schule war ich nie der Männerschwarm, habe nie Liebesbriefe bekommen, war nie diejenige mit der man zusammen sein wollte.
Ein paar unglückliche Verliebtheit später wusste ich die Vorteile zu schätzen, die man als 'gute Freundin' hat.
Man teilte alles mit mir: Wünsche, Ängste, Hoffnungen und gemeinsame Abende in der Kneipe, an denen man sich über Alles und Nichts ausgetauscht hat.
Umso größer war der Schock, als mir einer meiner engsten Freunde (ich habe unsere Beziehung als 'rein platonisch' und 'frei von Sex' verstanden) sagte, dass er mich heiß finde, dass er natürlich gerne mit mir schlafen würde, ihm dann aber doch, zumindest für eine gewisse Zeit wie sich später rausstellte, unsere Freundschaft und ich zu wichtig seien, um das alles zu riskieren.
So ging es, wie ich herausfand, 99% meiner Freunde.
Das war aber eine Erkenntnis, die ich verdauen konnte. 'Heiß finden' ist ja nichts Verwerfliches und ein bisschen hat er mir auch geschmeichelt.
Was ich allerdings nicht verdauen kann ist, dass du mich kennst, seit es mich gibt. Du hast mich damals auf dem Arm gehabt, als ich noch nicht denken konnte.
Du hast mit mir gespielt, mir Sachen beigebracht, warst wie ein Vater, den ich nie hatte.
Oft sind wir Stunden lang durch die Gegend gefahren und haben Zeit an den schönsten Orten verbracht.
Doch was ist dann passiert?
War ich plötzlich nicht mehr das kleine Mädchen, das du früher im Arm gehalten hast? Wurde ich für dich zur Beute? Waren all deine angeblichen väterlichen Gefühle von heute auf morgen verflogen?
Ich solle dir verzeihen.
Das kann ich nicht, weil du so niemals hättest denken dürfen.
Comments